Das ehemalige Sprachenkonvikt: „Schule der Revolution“ – Erzählsalon

Das ehemalige Sprachenkonvikt in der Borsigstraße 5 – schon in vergangenen Gesprächsrunden ist uns diese besondere kirchliche Ausbildungsstätte immer wieder begegnet.

Sprachenkonvikt 7.Juli 2014
Dr. Marie Anne Subklew moderierte den Erzählsalon im Sprachenkonvikt
Foto © B. Friemel

Welche Rolle spielte das Sprachenkonvikt in den revolutionären Bewegungen in der DDR und handelte es sich tatsächlich um eine „Schule der Revolution“? Um diese Fragen kreist der von Dr. Marie Anne Subklew moderierte Erzählsalon am 7. Juli 2014.
Dr. Reinhard Kees, ehemaliger Absolvent und später in leitender Funktion am Konvikt, stellt klar: „Wir waren wohl eher eine Schule der Demokratie!“. Die anderen Zeitzeugen des aktuellen Erzählsalons, zu denen außer Kees noch Dr. Wolf Krötke und Vera Lengsfeld gehören, stimmen zu, dass eine aktive Heranführung an revolutionäre Gedanken jedenfalls nicht Ziel des Konviktes war. Krötke, der ehemalige Leiter der Schule, meint: „Revolution war bei uns ja nie das Ziel, sondern ein freies Theologiestudium mit offenem Geist.“. Dass das eine eventuell allerdings das andere bedingt, scheint wiederum genauso unstrittig.
Reinhard Kees, Schule der Demokratie:
Wolfgang Krötke über das Ausbildungsziel des Konvikts:
 
Sprachenkonvikt 7.Juli 2014
Vera Lengsfeld und Wolfgang Krötke beim Erzählsalon am 7. Juli 2014
Foto © B. Friemel

Vera Lengsfeld, ehemalige Studentin am Konvikt und aktive Revolutionärin zu Zeiten des SED-Regimes, lobt an diesem Abend nicht nur einmal die offenen, kritischen Gespräche zwischen allen am Konvikt Anwesenden – Lehrern und Schülern gleichermaßen. „Das Konvikt bot vielen späteren Revolutionären Obdach“, stellt sie fest, „Hier habe ich in sicherem Rahmen einige Mitstreiter gefunden.“. Die flach-hierarchischen Strukturen und die demokratische Struktur innerhalb der Wände der theologischen Ausbildungsstätte standen im für alle fühlbaren Widerstand zur Realität außerhalb der schützenden Mauern des Konviktes.
Lengsfeld:
Natürlich entging auch den Führern der sozialistischen Diktatur nicht, dass auffällig viele Oppositionelle in Verbindung mit dem Konvikt standen. Krötke dazu: „Wir hatten große Angst, dass das Konvikt geschlossen wird.“. Dass es nie geschlossen wurde, erklärt sich der ehemalige Dekan wie folgt: „Das haben die schlicht und einfach verpennt. Das ging ja alles relativ schnell, dass das Konvikt über die Grenzen hinaus sehr bekannt geworden ist. Da wäre eine Schließung im Ausland gar nicht gut angekommen. Da haben sie wohl aus ‘mangelnder sozialistischer Wachsamkeit’ den Zeitpunkt verpasst.“.
Lengsfeld über den Anspruch Honeckers, auch im Westen legitim zu wirken:
Die Tradition des Diskurses, den sich Vera Lengsfeld immer wieder auch mehr in die heutige Zeit wünscht, wird auch an diesem Abend in den geschichtsträchtigen Mauern fortgeführt. Die heutige Politikerin exmatrikulierte sich auf Grund einer Westreise vom Konvikt und absolvierte im Anschluss ein Auslandssemester in Cambridge. Als sie, kurz vor dem Tag, an dem die Mauer fallen sollte, die Wiederaufnahme ihres Studiums in der Borsigstraße anstrebte, werden ihr Steine in den Weg gelegt. Während Lengsfeld überzeugt ist, dass politischer Druck auf das Konvikt ausgeübt worden ist, sie nicht wieder zu immatrikulieren, wehrt sich der ehemalige Studienleiter Krötke entschieden gegen diesen Vorwurf. Alle Lehrkörper unterschrieben bei dem Antritt am Konvikt eine Erklärung, nicht mit der Staatssicherheit in Kontakt zu treten. Kees pflichtet bei, dass es nie Gespräche über solcherlei Entscheidungen mit der Stasi gegebenen habe und auch keine Entscheidungen über Studenten mit Hinblick auf deren politisches Tun getroffen wurden.

alle Fotos © B. Friemel
Krötke über das Verhältnis der Mitarbeiter zur Staatssicherheit:
Dennoch: „Es gab schon viele Studenten, die das Konvikt zum Beispiel als Trittbrett in den Westen gesehen haben. Das wollten wir natürlich auch nicht. Wichtig war die Motivation der Leute, schließlich wurden hier letztlich Theologen und Theologinnen für die Kirche ausgebildet.“, erinnert sich Kees.
Auf die Frage, welches die Podiumsgäste als das Erbe des Konviktes empfinden, hat jeder Gast eine ganz eigene emotionale Erinnerung, die vermutlich den Geist des Hauses in der Borsigstraße 5 am besten vermittelt.
Krötke gedenkt vor allem der „Freiheit der Theologie und des gesellschaftlichen Engagements“. Für Vera Lengsfeld ist das wertvollste Erbe „der Geist, der im Konvikt herrschte und das Niveau der gesellschaftlichen Debatte“ und Reinhard Kees freut sich nach wie vor über „ein unwahrscheinliches Netzwerk“ aus Zeiten hier am Konvikt. „Es gab eine ganz eigene familiäre Stimmung. Naja, schließlich hat man ja ein Stück gemeinsamer Geschichte hier erlebt.“.
Reinhard Kees über den “Studentenstatus” der theologischen Studenten: